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Europa-League-Halbfinale: Das schleichende Gift - SPIEGEL ONLINE

Eintracht Frankfurt ist auf einer Welle der Begeisterung ins Europa-League-Halbfinale geritten. Der Preis dafür könnte hoch sein. Allerdings gehen auch die anderen Halbfinalisten auf dem Zahnfleisch.

Eintracht-Profis am Ende der Kraft
Martin Meissner/AP

Eintracht-Profis am Ende der Kraft

Diese Euphorie, diese Choreografie, dieses "Das-Stadion-muss-brennen": Was für eine Begeisterung hat die Europa League bei Eintracht Frankfurt ausgelöst. Ein Team, das international zu einer Nullnummer abgesunken war - wer in England, der jünger ist als 40, wusste noch um Eintracht Frankfurt? Jetzt kennt man die Eintracht auch in der Ukraine, in Italien und in Portugal.

Das Rückspiel im Halbfinale beim FC Chelsea steht bevor (21 Uhr, TV: RTL/Dazn, Liveticker: SPIEGEL ONLINE) Frankfurt geht mit einem 1:1 in die Partie - die Nachrichtenagenturen schwärmen sicherheitshalber jetzt schon einmal vom "Wunder von London". Damit wäre diese Formulierung wenigstens schon mal untergebracht.

Gleichzeitig ist das Team von Trainer Adi Hütter in der Bundesliga zuletzt 1:6 bei Bayer Leverkusen eingegangen - es war das, was man ein Sechs-Punkte-Spiel um die Qualifikation zur Champions League nennt. Die Frankfurter zeigten keine Gegenwehr, schon in den Ligaspielen zuvor war von der Champagnerspritzigkeit der Saison nichts mehr zu spüren. Heimniederlage gegen Augsburg, in Wolfsburg immerhin einen Punkt gerettet. Es war eine Mannschaft zu besichtigen, die auf dem allerletzten Ritzel lief. Vielleicht ist noch ein bisschen Restenergie für die Kraftakte auf europäischer Ebene da, in der Liga scheint der Saft ausgegangen. Das wundert auch niemanden.

Mit der Saison gehen auch die Kräfte zu Ende, das ist keine bahnbrechende Erkenntnis, aber sie gilt für die Teams, die die europäischen Herausforderungen zu meistern haben, im besonderen. Schaut man sich die Halbfinalisten in ihren jeweiligen Ligen an, sieht man eine müde Eintracht Frankfurt, die den so wichtigen Champions-League-Rang vier zu verlieren droht. Einen FC Valencia, der den Sprung am FC Getafe vorbei auf Platz vier einfach nicht schafft, einen FC Arsenal, der seit Wochen vor sich hindümpelt, zuletzt nicht einmal daheim gegen Brighton gewinnen konnte und die Champions-League-Ränge bereits verlassen hat.

Filip Kostic (vorne) spielt seine erste Saison mit der zusätzlichen Belastung durch die Europa League
Martin Meissner / AP

Filip Kostic (vorne) spielt seine erste Saison mit der zusätzlichen Belastung durch die Europa League

Fast verpflichtet, die Trophäe zu gewinnen

Lediglich der FC Chelsea hält sein Niveau, zumindest was die Platzierung in der Tabelle angeht - der derzeitige Platz drei in der Premier League ist angesichts der zwei Überteams von Manchester City und dem FC Liverpool sogar das Optimum. Chelsea hat in den vergangenen Wochen allerdings den Kader bei den Pflichtspielen bereits munter durcheinander gemischt, ein Luxus, den sich Frankfurt und Valencia nicht erlauben können.

Letztlich sind drei der vier Halbfinalisten mittlerweile fast dazu verpflichtet, am Ende die Trophäe zu gewinnen und sich dadurch für die Champions League der kommenden Saison zu qualifizieren. Und sich die Millioneneinnahmen zu sichern, die mittelfristig noch wichtiger für den Verein sind, als auf der Visitenkarte stehen zu haben: Halbfinale Europa League 2018/2019.

Es ist ein ambivalentes Ding um diesen Wettbewerb. Auf der einen Seite hat die Begeisterung der Europa-League-Spiele Frankfurt auch in der Bundesliga über Wochen durch die Saison getragen - die Eintracht war auf einer Wolke, und auf die konnte sie nur klettern, weil man gegen Donezk, gegen Inter Mailand, Lazio Rom und Benfica Lissabon Festspiele hatte. Die Erfolge in der Bundesliga und in der Europa League haben sich auch gegenseitig bedingt.

Bewusstes Abschenken ist auch kontraproduktiv

Darauf zu verzichten, um sich allein auf die Liga zu konzentrieren - ein bewusstes Abschenken in Europa, wie es Premier-League-Klubs in den Vorjahren mehr oder weniger offenherzig praktizierten - , das wäre wahrscheinlich noch kontraproduktiver gewesen. Und dafür ist es jetzt ohnehin zu spät. Das Leuchten in den Augen der Eintracht-Fans wurde nicht durch einen Auswärtssieg bei Hannover 96 ausgelöst, sondern wegen der europäischen Nächte. Auch abgezockte Profis erleben solche Abende wie gegen Benfica Lissabon und Inter Mailand nicht oft. Das bleibt.

Andererseits könnten Frankfurt, Arsenal und Valencia am Ende der Saison als die Enttäuschten dastehen - die Eintracht kann theoretisch an den verbleibenden beiden Spieltagen noch vollständig aus den internationalen Plätzen herausfallen, erst kommt Mainz 05 zum Rheinhessen-Derby, dann geht es zum Abschluss zur vermeintlichen Meisterkür nach München. Für Valencia und Arsenal ist die Qualifikation für die Champions League sowieso das Maß, an dem sie sich messen.

Die Europa League hat die Teams Substanz gekostet, eine Mannschaft wie Frankfurt noch erheblich mehr als den FC Chelsea, der mit einem größeren Etat aus dem vollen schöpft. Der Wettbewerb hat dem Verein so viel gebracht, aber er kann die Eintracht am Ende auch sehr viel kosten. Wichtige Leistungsträger zu halten - das ist für Frankfurt in der Königsklasse leichter als für Frankfurt auf Platz acht der Abschlusstabelle.

Die Europa League mit ihren vielen Spielen, mit ihren Belastungen ist ein Gift. Aber dieses Gift ist auch verdammt süß.

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https://www.spiegel.de/sport/fussball/europa-league-kostet-die-vereine-extrem-viel-substanz-in-der-meisterschaft-a-1266369.html

2019-05-09 09:55:15Z
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